Zeitungsartikel von Stefan Sander :
Auch Eichsfelder waren Opfer in Stalingrad
Bereits zwei mal habe ich dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
ehrenamtlich bei Umbettungsarbeiten im östlichen Ausland geholfen.
Das erstemal war ich mit zwei Freunden in Lettland. Dort haben wir gefallene
Deutsche Soldaten, die dort seit dem Krieg noch in den Wäldern und
Feldern liegen, ausfindig gemacht. Die Gebeine der Gefallenen werden ausgebettet
und die Identität versucht zu klären. Dann werden sie auf zentralen
Friedhöfen würdig beigesetzt.
Das zweitemal war ich, wieder mit zwei Freunden, auf der Suche nach dem
Grab meines Großvaters. Er ist am 13.08.1941 bei Smolensk gefallen
und galt seither als vermisst. Auf dem Rückweg haben wir in Ostpreußen
wieder bei Umbettungsarbeiten geholfen.
Dieses mal haben wir uns aus Anlass des 60. Jahrestages der Schlacht
von Stalingrad entschlossen dort unseren etwas anderen Urlaub zu verbringen.
Nach dem ich mich mit der Geschichte beschäftigt habe, versuchte
ich im Eichsfeld ehemalige Stalingradkämpfer ausfindig zu machen,
sie zu befragen um mich entsprechend darauf vorzubereiten.
Da ich mich mit der Geschichte vom Luftkrieg im Eichsfeld beschäftige
und durch meine Befragungen von Zeitzeugen viel mit älteren Leuten
zu tun habe, fand ich in Mengelode einen Herrn der das Drama von Stalingrad
mitgemacht und überlebt hat.
Herr Hubert Möhl aus Mengelode hat vor einiger Zeit seine Familienchronik
geschrieben und in dieser, mit 40 Seiten über seine Soldatenzeit
. Er wurde in der Weihnachtszeit 1941 dem I. Batalionsstab, Infanterieregiment
546 der 389. Rheingold Division, als Nachrichtenmann zugeteilt. Im März
1942 ging es per Bahn nach Russland. Als Nachrichtenmann war seine Aufgabe
die zerschossenen Fernsprechleitungen zu Flicken, sodass Nachrichten vom
Gefechtsstand an alle Ebenen geschickt werden können .
Hier eine traurige Geschichte als Zitat aus der Chronik :
In der Geschützfabrik bekamen wir von der Nachrichtenstaffel einen
Jungen, noch jünger als wir und ich, der in 10 Tagen 20 Lenze zählte,
der aber schon zu den alten Frontschweinen zählte, sollte mich seiner
annehmen. Der Junge saß im Stollen und weinte nur aß kaum
was und immer nur weinen. Nach 3 Tagen hatte er sich etwas beruhigt und
Lt. V. Reitzenstein sagte: " Möhl nimm den Jungen mit raus bei
Störungssuche, das geht so nicht weiter." Ich nahm ihn mit.
Unsere Leitung ging hinter einer Betonwand entlang in der große
Lücken rausgeschossen waren. Eine der Lücken wurde von russischen
Scharfschützen eingesehen, der in einem halbzerschossenen Schornstein
steckte. Wir wussten das. Ich nahm den Jungen mit bis zu dieser Stelle.
Dann hab ich ihm ganz eindringlich gesagt: " Du wartest hier bis
ich drüben bin und erst wenn ich Dich abrufe kommst Du nach."
Ich rannte los was ich laufen konnte. Als ich drüben hinter der Deckung
ankam hörte ich einen Schuss und Schlag hinter mir. Als ich nach
dem Jungen sehen wollte lag er mitten in der ausgeschossenen Lücke
regungslos. Der Russe hatte ihn mit einem sauberen Kopfschuss erledigt.
Er hat sicher die Nerven verloren und war mir nachgelaufen. Eine todsichere
Sache für den russischen Scharfschützen. Selbst unserem Batl.
Komd. ging die Sache stark an die Nieren. Am nächsten Tag ließ
er durch die Artillerie Schornstein und Scharfschützen in die Luft
fliegen, danach hatten wir Ruhe.
Am 26.11.1942 erwischte es dann Herr Möhl, ein Granatsplitter zerfetzte
ihm seine linke Hand so das sie amputiert werden musste .Danach lag er
4 Wochen im Hauptverbandsplatz.
Zitat : Hier im Raum lagen 400 Schwerverletzte auf engstem Raum, auf Krankentragen.
Hier in dieser Halle wurde aus einem 20 jährigen Bengel oder Jüngelchen,
wie auch immer, ein fertiges Mannsbild geschaffen. Diese 4 Wochen haben
mich entscheidend geformt für mein ganzes Leben. Hier war jeder nur
ein kleines billiges Häuflein Mensch was jeden Morgen von 2 Sannis
in die riesengroße Grube, welche ich später selbst gesehen
habe, transportiert werden konnte, welche russische Kriegsgefangene ausgehoben
hatten. Doch davon später. Diese Halle, wo alle Lücken und Fenster
wegen der barbarischen Kälte vernagelt und das halbdunkel von den
Hindenburgskerzen zur Vorhölle machten. Mann neben Mann gelegen,
wo die Sterbenden in der Agonie nach Vater und Mutter, nach Frau und Kindern
schrien, in Alpträumen von Russen gejagt wurden, beteten und den
Krieg verfluchten, in Schmerzen und Todesangst brüllten und schrien
wie Tiere, und deren Stimmen dann leiser und schwächer wurden bis
der Tod sie in seinen barmherzigen Armen für immer verstummen ließ.
(Zitat Ende)
Einen Tag bevor der letzte Flugplatz von Stalingrad von den Russen eingenommen
wurde, hatte Herr Möhl durch einen "Glücklichen Umstand"
die Möglichkeit ausgeflogen zu werden.
Am 16.7.1943 wurde Herr Möhl von der Wehrmacht entlassen und kam
auf Umwegen nach Hause.
Er hatte zwar nur noch eine Hand, aber er war am Leben und dankte Gott
dafür.
In der Schlacht um Stalingrad sind 160000 Deutsche Soldaten gefallen und
91000 mussten in russische Gefangenschaft gehen, wovon im Jahr 1957 die
Letzten nach Hause kamen.
Heute nach 60 Jahren liegen im Umfeld der Stadt noch viele gefallene und
vermisste Soldaten.
Das mindeste was man für sie noch tun kann ist ihnen ein würdiges
Grab zu geben. Um dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
bei seiner Arbeit zu unterstützen werde ich und drei Freunde von
mir unseren Urlaub, für die Mithilfe bei den Umbettungsarbeiten,
in Stalingrad verbringen.
Zum Abschluss unserer Reise wollen wir für alle in Stalingrad gefallenen
Eichsfelder auf dem dortigem Ehrenfriedhof einen Kranz niederlegen.
Ich würde mich freuen wenn sich viele Eichsfelder die in Stalingrad
dabei waren oder Angehörige von ehemaligen Soldaten bei mir melden
.
Bitte rufen sie mich an ! Tel. 036075/64734
Stefan Sander
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