Auszug aus der Chronik von Alfons König:


Über den Verlauf des Unwetters will ich auf Grund der Zeitungsartikel nicht schreiben, Meine persönlichen Beobachtungen seien kurz berichtet:
Ich war im Hause Hermann Orschel an der Trift, man sprach über die ungewöhnliche Hitze. Kein Luftzug und kein Blatt bewegten sich. Wenn das heute nur gut geht sprach die Ehefrau beim Abschied.
Es war gegen 12.45 Uhr. Zu Hause hatte meine Frau Fenster und Türen sperrangelweit auf und schwitzte beim Essen zubereiten. Es donnerte 2-3-mal, gießt, hagelt und dann flogen dicke Brocken (Hagelkörner). Einen haben wir gewogen 62 g schwer. Als das Gewitter sich verzogen hatte gingen wir auf die Straße und alles atmete die frische Kühle. Doch es war eine sonderbare Atmosphäre. Trotz des großen Regens flogen die Bienen sehr schwach. Es war ihnen zu warm. Das Gewölk brach auf uns schon sah man blauen Himmel gegen Norden.

Plötzlich ein Rauschen und Brummen und es wurde fast Nacht, Laub flog in der Luft. Und Ziegelstücke. Meine Frau stand am Fenster und meinte: „Es sieht aus als käme der jüngste Tag“. Ich lag auf dem Sofa, da ging sie zum anderen Fenster nach der Kirche zu und rief voller Angst: „Alfons , Alfons der Kirchturm fällt um“. Und weil ich es nicht glauben wollte sprang ich auf, da sagte sie: „Er ist schon weg“. Tatsächlich war der Kirchturm umgeblasen. Wir haben den Aufschlag nicht gehört und wohnen nur ca. 50 m von der Kirche entfernt.

Und wie der Sturm gekommen, war er auch schon wieder vorbei. Keine 3 Minuten.
Leute, die es besser beobachtet hatten sagten gleich: „Es war eine Windhose“.
Und wie sah es im Dorf aus? Die Windhose kam über der Holau her und das erste Angriffsobjekt war der Gasthof Lindenhof, weiter die Bahnhofstraße und beschädigte die Gebäude z.B. der LPG, BHG, Poliklinik, Bürgermeisteramt und Kirche.

Des Weiteren auf dem alten Friedhof 17 Kastanien entwurzelt, bei der Kapelle 14 Linden und in den Anlagen 12 Linden. Bei der 9. und 10. Station 12 Bäume. Am Madeberg sind ca. 500 Tannen und Kastanien zerbrochen.
Eckstedt, Felsenkeller, Küllstedter Grund, Riethweg, Kuhtrift und in den Abteilungen 81 – 83 ca. 3500 Festmeter Holz zerstört und entwurzelt.

Viele Hühner der Hühnerfarm der LPG „Madeberg“ lagen an der Struther Straße. Italienerhühner wurden am Ölstieg am selbigen Tag gefangen.

Es waren nicht viele Häuser die keinen Schaden hatten. Im Oberdorf war es nicht von großer Bedeutung.

Franz Schäfer, der im Betrieb „Kügro“ arbeitet, hatte den Umsturz des Kirchturms gesehen und zu den anderen gesagt: „Kinner rait Euch nitt uff, der Kärchturm äs wag“, ging zum Lager, erlitt einen Schlaganfall und starb am 23.07.1966.

Anna Kriwat, beschäftigt bei der Firma Josef Sonnabend, kam mit einem Arm voll Textilien zum Werk als die Fenster aufflogen,. Sie stürzte die Treppe runter und verletzte sich am Bein (Bruch) und Wirbelsäule und musste sofort ins Krankenhaus gebracht werden.

Florentin Mock, der nach dem Gewitter nach Hause wollte, wurde durch eine herabfallende Ziegel am Kopf schwer verletzt und musste ins Krankenhaus.
Allgemein gesehen sind ca. 220 Häuser beschädigt und zeigen Schäden an Dach, Schornstein und Rinnen. Ca. 2000 m² Fensterscheiben wurden zerschlagen. Die Reparatur erfolgte im Saal der Konsumgaststätte am Schenkplatz. 18 Glaser und Gehilfen der FA Salzmann waren dort beschäftigt.

Am 19.07. abends waren mehr als 200 Männer im Einsatz.. Freiwillige Feuerwehren von Küllstedt, Wachstedt, Struth, Kefferhausen und andere waren die ganze Nacht tätig um die schlimmsten Schäden abzudecken, da ein sehr starker Regen Tag und Nacht anhielt.
Soldaten der Sowjetunion aus Wachstedt waren mit die ersten Helfer.
Am 22.07. kam noch der Katastrophenschutz aus Erfurt mit Motorsägen und Leitern.
Vom E-Werk wurde ununterbrochen gearbeitet, denn das Dorf war ohne Stromversorgung. Die Bäume auf dem alten Friedhof und der Kapelle wurden zersägt und etwas Ordnung geschaffen.
Der Kirchturm wurde mit einem Notdach versehen am 23. und 24.07.

Die Fernsehleute waren am Dienstag da und in der Aktuellen Kamera wurden Aufnahmen von den Schäden gezeigt.

Das Essen, dass kostenlos an die im Einsatz befindlichen Leute ausgegeben wird, kommt aus dem Baumwollwerk Leinefelde. Der OP-Stab liegt im Bürgermeisteramt und organisiert die Einsätze.
Auf Grund der Beschädigung wurde der Abbruch von 5 Scheunen angeordnet. Weitere 16 Scheunen sind noch zum Abbruch vorgesehen.
Die Turmuhr wurde am 27.07. in Ordnung gebracht. Da die Zeigerglocke mit dem Turm fiel, mussten das Schlagwerk und die Glocke neu angebracht werden. Die Zeiger, die der Sturm auch abgerissen hat sind noch nicht wieder angebracht, aber die Uhr schlägt wieder.

500 Backsteine kosten 125 MDN, 1 Ziegel 0,60 M

In unserem Garten hatte der Sturm sehr gewütet. Der Zaun war auf ca. 50 m Länge umgeworfen. Wir fanden dort schwarze Ziegel (unbeschädigt), wie sie auf den Häusern an der Hauptstraße liegen. Der Flugweg beträgt ca. 200 m.
An der Langeröder Straße sind eine ganze Anzahl Apfelbäume umgeworfen. Dort sah man richtig den Wirbel. Einige lagen mit der Krone Richtung Westerwald, andere nach der Station zu. Die stärkste Linde bei der Station, 1,27 D, war total abgedreht.

Sehr beschützt wurde der Maria Hilf Bildsstock bei der Kapelle. Rechts und Links stürzten die Linden und Hainbuchen, aber an der Kapelle war nicht eine Scheibe eingedrückt. Vor dem Bildstock stand eine kleine Blumenvase mit Margariten, die hatte der Sturm nicht umgeworfen.
Ebenso blieb das Kreuz auf dem Friedhof unbeschädigt.

Betrachtet man sich den Fall des Kirchturms, so muss man sagen: „Den hat eine höhere Hand gelenkt, dass er so hinfiel und kein größerer Schaden entstand“.
Es war ein großes Glück im Unglück.

Dieser Tag wird allen, die ihn erlebt haben unvergesslich sein. Besonders dem Kaplan Wolfgang Teichert, der den 1. Tag hier weilte und auf Grund des Unwetters sich gerade in der Kirche befand. Herr Pfarrer Johannes Rhode befand sich gerade an der Ostsee.

Am folgenden Sonntag war Küllstedt das Ziel von mind. 1000 Besuchern und Neugierigen, die sich dieses grandiose Schauspiel ansahen und erschüttert waren von dem Ausmaß der Katastrophe.
Möge uns und alle vor Ähnlichem der liebe Herrgott bewahren.